Barfberatung Franken

"Franken-BARF" - Ihre Ernährungsberatung für Hunde und Katzen im Nürnberger Land

BARF-Mythos #3:

Rohes Fleisch macht Hunde krank


Text von Nadine Wolf (https://mashanga-burhani.blogspot.de) 


BARF-Mythos #3:
Rohes Fleisch enthält Krankheitserreger, die dem Hund schaden


Es wird immer wieder behauptet, dass rohes Fleisch für Hunde schädlich sei, weil es Krankheitserreger enthält, die für Hunde sehr gefährlich sind. Nicht nur der Hund würde durch die Fütterung von rohem Fleisch geschädigt, nein, wenn der Hund mit diesen Erregern infiziert ist, steckt er damit automatisch auch seine menschlichen Gefährten an.
    
Nun, eins ist sicher: rohes Fleisch ist mit Sicherheit nicht keimfrei. Die Frage ist daher eher, ist es für Hunde wirklich schädlich, dieses Keim behaftete Fleisch zu fressen? Oder ist das Verdauungssystem eines Karnivoren etwa auf die Verdauung von rohem Fleisch eingestellt?


Kritische Betrachtung einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema
    
Um die Behauptung der Gefährlichkeit des rohen Fleisches und die Folgen von dessen Konsum zu untermauern, werden wissenschaftliche Arbeiten herangezogen. Aber was beweisen diese Arbeiten eigentlich? Liefern sie geeignete Hinweise? Ein gutes Beispiel hierfür ist die folgende Dissertation: „Durchfallerkrankungen bei Haustieren mit lebensmittelrelevanten pathogenen Bakterien“.
    
Die Autorin führt an, dass „Lebensmittelbedingte Infektionen mit thermotoleranten Campylobacter spp., Salmonella spp., Yersinia enterocolitica und EHEC […] zu den häufigsten Erregern von Durchfallerkrankungen bei Mensch und Tier in Deutschland“  zählen und dass eine „wichtige Quelle für die Infektion mit diesen Erregern […] in vielen Fällen der Verzehr von Rohfleischprodukten, nicht ausreichend erhitzten Lebensmitteln oder kontaminierten Lebensmitteln oder auch der Kontakt mit infizierten Tieren.“ sei.
    
Um diese These zu belegen, wurden 150 an Durchfall erkrankte Tiere und 150 gesunde Haustiere untersucht. Darunter befanden sich 50 Hunde, die an Durchfall litten und 50 gesunde Hunde.
    
Die Halter dieser Tiere wurden mittels Fragebogen zu den Ernährungsgewohnheiten und anderen Eckdaten ihrer vierbeinigen Lieblinge befragt. Der Fragebogen enthielt im Hinblick auf die Fütterungsgewohnheiten folgende Antwortmöglichkeiten:

  • Fertigfuttermittel (z.B. Dosenfutter, Trockenfutter)
  • Rohfleisch (z.B. Fleischknochen, Hackfleisch,Innereien)
  • Rohwurstprodukte (z.B. Mettwurst, Salami, roher Schinken)
  • erhitzte Wursterzeugnisse: Brühwurst, Kochwurst (z. B. gekochter Schinken, Leberwurst, Weißwurst, Presssack)


Anhand dieser Befragung wurden die Hunde in 3 Gruppen eingeteilt: Hunde, die mit rohen Produkten, erhitzten Produkten oder Futter unbekannter Herkunft ernährt wurden. Ein Blick in den Anhang der Dissertation verrät, dass jeder Hund, der Rohfleisch oder Rohwurstprodukte bekam, in die Gruppe der roh ernährten Hunde eingestuft wurde, ohne eine Gewichtung vorzunehmen. D. h. ein Hund, der  ausschließlich rohes Fleisch und ab und zu mal ein Trockenfutter-Leckerli bekommt, gilt ebenso als roh ernährt wie ein Hund, der ausschließlich Trockenfutter frisst und vom Tisch mal ein Stück Salami bekommt. Ist eine solche Einteilung methodisch überhaupt trennscharf? Schließlich erhält man in Bezug auf die Ernährung der Tiere m. E. so keine abgrenzbare Vergleichsgrundlage. Und wäre es nicht ohnehin sinnvoller, die Faktoren isoliert zu betrachten, die in Verdacht stehen, ein Vorliegen pathogener Erreger zu begünstigen? 
    
Die Kotproben sämtlicher Hunde wurden auf verschiedene pathogene Erreger untersucht. „Die Ergebnisse aller Untersuchungen ergaben, dass von 50 an Durchfall erkrankten Hunden 17 Hunde (34%) positiv auf ein oder zwei Pathogene getestet wurden. Neun der 17 positiven Hunde (53%) wurden mit Rohfleisch gefüttert. Insgesamt wurden 24 von 50 Hunden (48%) mit rohen Fleischprodukten   gefüttert; von diesen 24 waren neun Hunde (37,5%) Pathogen positiv, 15 der 24 mit Rohfleisch gefütterten Hunde (62,5%) waren Pathogen negativ. 49 Hunde (98%) hatten die Möglichkeit zu Freilauf, darunter alle 17 positiven Hunde (100%).“
    
Nun wird es verwirrend, denn die Begriffe Rohfleisch und Rohwurst werden verwechselt bzw. synonym verwendet. Oder die Autorin hat sich verzählt, denn aus ihrer Auswertungstabelle im Anhang gehen lediglich 4 von 17 positiv getesteten Hunden hervor, die Rohfleisch bekommen hatten. Demzufolge wurden nur 8 % der erkrankten Tiere, die Rohfleisch bekommen hatten, positiv auf pathogene Erreger   getestet.
    
Und selbst wenn man nun Salami auch noch zu rohem Fleisch zählt, dann haben 53 % der positiv getesteten Hunde rohe Produkte und 47 % erhitzte Produkte erhalten. Ob diese Abweichung statistisch überhaupt relevant ist, lässt die Autorin offen, denn auf eine statistische Untersuchung hat sie schlichtweg verzichtet. Ich habe jedoch große Zweifel, dass hier ein statistisch signifikantes Ergebnis vorliegt, denn die Stichprobe ist im Vergleich zur Grundgesamtheit doch sehr klein und der prozentuale Unterschied ist gering. Außerdem erwähnt die Autorin zwar, dass 37,5 % der mit rohen Produkten gefütterten Hunde positiv auf pathogene Erreger getestet wurden, sie verschweigt aber, dass 40 % der mit erhitzten Produkten gefütterten, kranken Hunde auch positiv getestet wurden. Wieso bloß?
    
Aber was macht die Gruppe der gesunden Hunde? „In der Gruppe der gesunden Gegenkontrollen wurden 11 der 50 Hunde (22%) positiv auf mindestens ein Pathogen getestet. 4 der 11 positiven Hunde (36%) wurden mit Rohfleisch gefüttert. Insgesamt wurden 5 Hunde von 50 (10%) roh gefüttert; von diesen 5 waren 4 Pathogen positiv (80%), einer der mit Rohfleisch gefütterten Hunde war Pathogen negativ (20%). 45 Hunde (90%) hatten die Möglichkeit zu Freilauf, darunter 9 (86%) der 11 positiven Hunde“
    
Abgesehen davon, dass ich die 11 positiv getesteten Hunde in der Tabelle nicht finden konnte (ich zählte nur 9 - hier liegt wohl ein Übertragungsfehler vor), geht aus der Auswertung hervor, dass 64 % der positiv getesteten Hunde keine rohen Produkte bekamen, 36 % hatten Rohprodukte gefressen. In diesem Fall war das Verhältnis also umgekehrt: mehr Hunde, die erhitzte Produkte bekommen hatten, wurden auf pathogene Erreger positiv getestet. Auf diesen Aspekt geht die Autorin nicht weiter ein, sie erwähnt lediglich, dass 80 % der mit Rohfleisch ernährten Hunde positiv getestet wurden. 
    
Letztendlich schlussfolgert die Autorin: „Ein Rückschluss, den man aus den eigenen Ergebnissen ziehen kann ist, dass mit Rohfleisch gefütterte Hunde öfters an Durchfall leiden. Rohfleischfütterung scheint außerdem ein großes Risiko für Infektionen von Hunden mit Pathogenen zu sein. Hunde, die nicht mit Rohfleisch gefüttert wurden hatten im Großteil die Möglichkeit zu Freigang und da die Möglichkeit, sich über andere Kontaminationsquellen, wie verdorbenes Fleisch, kontaminiertes Wasser oder Wildtiere zu infizieren.“


Welche Fragen bleiben offen?
 

Die Gruppierung der Hunde (roh ernährt, nicht roh ernährt) ist m.E. fragwürdig, denn auch Hunde, die theoretisch zu 99 % mit erhitzten Produkten und zu 1 % mit rohen Produkten ernährt wurden, werden der Gruppe "roh ernährt" zugeordnet, weil der Fragebogen keine Gewichtung vorsieht.

Außerdem grenzt die Autorin die Begriffe Rohwurst und Rohfleisch nicht klar voneinander ab, sondern verwendet sie teilweise synonym.

Zudem wurden die Ergebnisse nicht statistisch ausgewertet. Man kann nicht einfach aus "53 % ist größer als 47 %" eine Schlussfolgerung ziehen, ohne die Werte auf ihre statistische Signifikanz hin untersucht zu haben. Das ist unwissenschaftlich!
   

Wieso ist nur der Freilauf der nicht mit rohen Produkten gefütterten Hunde relevant? Immerhin hatten fast alle Hunde Freilauf. Dass der Freilauf nur bei den mit erhitzten Produkten ernährten Hunden relevant für deren Infektion mit pathogenen Erregern sein soll, nicht aber für die Tiere, die rohe Produkte erhielten, erscheint mir sehr inkonsequent.
    
Woher wissen wir, dass die Zusammensetzung der Gruppe der gesunden Hunde (86 % erhitzte Produkte, 8 % Rohprodukte, 6 % unbekannt) und der erkrankten Hunde (40 % erhitzte Produkte, 48 % Rohprodukte, 12 % unbekannt) nicht völlig willkürlich gewählt war? Leiden Hunde, die Rohprodukte verzehren wirklich viel häufiger an Durchfall oder wurde die Gruppe der an Durchfall erkrankten Hunde absichtlich so zusammengestellt? Letzteres würde die Auswerung natürlich etwas verzerren.
    
 Ich sage nur: Traue nie einer Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.


Der Hund und seine Magensäure
    
Zweifelsohne werden Hunde tagtäglich mit pathogenen Erregern konfrontiert und diese befinden sich auch in der Nahrung. Wie aber ist der hündische Körper dagegen gewappnet?
    
Meyer/Zentek bezeichnen den hohen Salzsäuregehalt des Magensaftes unserer vierbeinigen Freunde als „bemerkenswert“. Der ph-Wert des Magensaftes kann nämlich in Abhängigkeit von Futterzusammensetzung und Futtermenge einen Wert von 1 erreichen. Fleisch, Fleischbrühe und sogar Wasser stimulieren die Magensäureproduktion, während  Zucker, Brot (Getreide) und Kartoffeln sie eher hemmen. Auch pflanzliche Eiweiße wie z.B. Soja haben eine weniger stimulierende Wirkung als Fleisch.
    
Nun nimmt der Hund mit BARF ja sehr viel Fleisch und eher wenig zuckerhaltige Produkte zu sich, demzufolge sollte der ph-Wert des Magensaftes eines mit Fleisch ernährten Hundes während des Verdauungsprozesses sehr niedrig sein. (Im Gegensatz zu einem Hund, der eine auf Getreide basierende Nahrung zu sich nehmen muss.)
    
Und wie gefällt das den pathogenen Keimen? Campylobacter spp. fühlen sich bei einem ph-Wert von unter 5,5 und über 9,0 nicht wohl. Salmonella spp. tolerieren ph-Werte zwischen 4 bis 9,6. Yersinia enterocolitica vermehrt sich hervorragend zwischen ph-Werten über 4,4 und unter 9. Und E. coli Bakterien lieben ph-Werte zwischen 4,0 und 9,5.
    
Was geschieht wohl mit diesen pathogenen Erregern, wenn sie mit dem sehr  niedrigen ph-Wert im Magen eines mit Fleisch ernährten Hundes konfrontiert werden? Genau, sie werden inaktiviert.
    
Man sollte offenbar vermeiden, Hunden ein Futter zu geben, welches kein Wasser enthält (z. B. Trockenfutter), welches wenig Fleisch enthält (z. B. Trockenfutter) oder welches viel Getreide enthält (z. B. Trockenfutter), da sonst nicht gewährleistet werden kann, dass eine ausreichend hohe Konzentration an Salzsäure im Magensaft vorhanden ist, was wiederrum ein Überleben von pathogenen Erregern begünstigt.


Ergebnis der Betrachtung
    
Man sollte sich auch wissenschaftliche Arbeiten genau hinsehen, bevor man ihnen Glauben schenkt. Die ausgewertete Arbeit beweist aus meiner Sicht nicht, dass der Verzehr von rohem Fleisch unweigerlich schwere Konsequenzen nach sich zieht. Dennoch stützen Tierärzte und Futtermittelhersteller ihre Argumentation auf derartige Arbeiten und schlussfolgern ganz selbstverständlich, dass rohes Fleisch für eine Art von Kaniden gefährlich sei, nämlich für den Haushund.
    
Offensichtlich besitzt ein gesunder Hund, der mit Fleisch ernährt wird, einen Magensaft, der pathogenen Erregern kein gutes Überlebensklima bietet. Alles andere wäre auch merkwürdig, denn es gibt auf dieser Welt 270 Arten von Raubtieren, die seit Jahrmillionen ausschließlich rohes Fleisch und teilweise sogar Aas zu sich nehmen. Nur für ein oder zwei Arten (Haushund, Hauskatze) soll diese  Form der Ernährung seit kurzem gefährlich sein. Man darf nicht vergessen, dass der Haushund industrielles Futter erst seit Ende des Zweiten Weltkrieges in großer Ausbreitung (in Teilen der Erde bis heute nicht) kennt und sich jahrtausendelang mit rohen Schlachtabfällen, Essensresten und Müll „begnügen“ musste. Welcher Bauer hatte bitte schön Zeit, das Fleisch für seine 2 großen Rottweiler zu kochen? Das wurde natürlich roh serviert!
    
Wären Raubtiere nicht längst ausgestorben, wenn der Verzehr von rohem Fleisch für sie derart gefährlich wäre? 
    
Man sollte auch nicht außer Acht lassen, dass Millionen von Menschen sich täglich gefährliche Rohwurstprodukte auf ihre Brote legen und nicht nur das: Was ist mit Sushi, Carpaccio oder einem leckeren Mettbrötchen? Das sind Nahrungsmittel, die Tag ein Tag aus millionenfach konsumiert werden, ohne dass dies unweigerlich zu schweren Erkrankungen führt.
    
Sicherlich, wer sich einen Hund ins Haus holt, wird automatisch mit einer Vielzahl von pathogenen Erregern konfrontiert. Ein Hund ist nun einmal nicht keimfrei, genau so wenig wie eine Notebooktastatur, die man im Zweifel genau so wenig ablecken sollte wie einen Hund... Daher sollte beim Thema Hund lieber ein Auge auf den hygienischen Umgang mit Tier und Futter haben, an Stelle natürliche Nahrung als etwas Gefährliches zu verteufeln.
    
Und wenn man schon verteufelt, dann bitte flächendeckend, denn nicht nur rohe Produkte enthalten pathogene Erreger: Allein in Kanada und den USA wurden in den letzten Jahren 12 Rückrufaktionen für mit Salmonellen kontaminiertem Fertigfutter durchgeführt.


Fazit
    
Rohes Fleisch stellt seit Jahrmillionen die natürliche Nahrungsgrundlage von allen Raubtieren dar. Der nächste Verwandte des Hundes, der Wolf, frisst bei identischem Verdauungssystem ausschließlich rohe Nahrungsmittel. Das mag zwar kein Beweis für die Ungefährlichkeit von frischem, rohem Fleisch für den Hund sein, aber es ist wohl mehr als nur ein Indiz...


Text von Nadine Wolf (https://mashanga-burhani.blogspot.de)



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